Reisebericht März 2020
Churchill Kanada - Wapusk Nationalpark
Diesen Bericht habe ich auf Anfrage für Amazing Views Photo & Adventure Tours geschrieben,
ich war Teilnehmer der von ihnen angebotenen Reise. Auch hier nachlesbar.
" Und da ist sie...! "
An der Horizontlinie einer kleinen Erhöhung, neben ein paar kleinen schiefen Bäumen, sehe ich etwas, nur ein paar hundert Meter entfernt, sie streckt neugierig ihre Nase in die Luft. Wir sind ganz aufgeregt im Van, können es kaum glauben. Da ist sie, die Eisbärenmutter auf die wir schon so lange gewartet haben. Der Van vor uns hat bereits geparkt, die ersten Fotografen stellen ihre Sachen auf. Meine Augen kleben an dem buttergelben Fleck auf dem schönen weißen Schnee und dann sind da noch zwei kleine weiße Bärchen sie klettern auf Mama rum. „Go,go,go…“ die Worte von Daisy reissen mich aus meiner Bewunderung. „Geht raus, stellt euer Stativ auf“ höre ich hinter mir. Ich bin immer noch etwas benommen, weil ich nicht glauben kann, was ich gerade sehe. Es ist real, ich sehe ein Eisbärenfamilie. Mit zittrigen Fingern und klopfendem Herzen baue ich mein Stativ und die Kamera auf, drücke auf den Auslöser. Die ersten Bilder sind im Kasten. Die Bärin ist sehr entspannt. Sie hat es sich gemütlich gemacht und beginnt die Kleinen zu säugen. Eine Verschnaufpause für die Fotografen, weil sie leicht abgedreht mit dem Rücken zu uns liegt und wir nicht sehr viel sehen können. Es braucht einen kurzen Moment um zu begreifen was hier passiert. Ich stehe nur hundert Meter von einer Bärenmutter entfernt. Mit meinen eigenen Augen kann ich sie sehr gut erkennen. Die letzten drei Tage des endlosen Wartens und der Verzweiflung nichts gesehen zu haben, sind einfach vergessen. Jetzt ist der Moment da und ich geniesse ihn.
Die Bären sind perfekt an die extreme Umgebung angepasst, sie haben ihre Isolationsschicht dabei. Wir Menschen müssen uns mit mehreren Schichten gegen die eiskalten Winde der Arktis schützen und laufen herum wie Michelin Männchen. Die Fusswärmer in den isolierten Schuhen sind Gold wert und mit der dicken ausgeliehenen Parka & Hose fühle ich mich wohlig warm eingepackt. Unglaublich was alles gebraucht wird, um hier zu überleben. Eine Lodge ohne Wasseranschluss, alles muss per Landweg gebracht werden, Trinkwasser, Essen, Feuerholz, Benzin für die Vans und den Stromgenerator. Einmal im Jahr für fünf Wochen wird der Aufwand von einem unglaublich tollem Team der Watchee Lodge für eine wenige Anzahl an Gästen gemacht.
In der Natur ist es viel einfacher, die Bärin dreht sich nur auf den Rücken und siehe da die Bar ist eröffnet, egal wo sie sich gerade befindet. Wie eindrücklich! Die fettreiche und nahrhafte Muttermilch ist sehr wichtig für die Kleinen, damit sie schnell wachsen, um die 70km bis zur Hudson Bay laufen zu können. Da wird die Mama seit mehreren Monaten wieder etwas essbares für sich selbst in Form von Robben finden. Ein langer Weg für die ca. drei Monate jungen Bären.
unvergessliche Momente
Sieben wunderbare Stunden durften wir die Bärin beobachten. Schlaf- , Spiel- und Essphasen wechseln sich ab. Diese Zeit entschädigt alles, die grosse Ungewissheit einiger Teilnehmer überhaupt pünktlich vor Ort zu sein, weil Schneestürme, überbuchte Flüge und unvorhergesehene Ereignisse Flugrouten blockieren oder änderten. Drei Tage, acht Stunden lang im engen Van ausharren und warten (allerdings war die Stimmung jederzeit entspannt und lustig), die sehr holprigen Fahrten kreuz und quer durch die arktische Tundra im hohen Norden Kanadas, eine physische und psychische Belastungsprobe, und jetzt – einfach alles ist vergessen. Mein Herz schlägt immer noch schneller als normal, ich kann es nicht glauben. Ich stehe hier und sehe es mit meinen Augen. So manch ein anderer musste ein zweites Mal hierher kommen um diese einmaligen Momente zu erleben. Das ist Natur, da gibt es nichts auf Bestellung. Da gehört schon eine riesige Portion Geduld, Glück und positive Energie dazu. Die Bärin ist sehr entspannt, sie wechselt sogar drei, vier mal ihren Standort und wir hatten wunderschöne verschiedene Szenen. An diesem Abend waren nur strahlende Gesichter in der Lodge zu sehen.
Die Geduld wird auf die Probe gestellt
Der nächste Morgen startet sehr zuversichtlich. Wir hatten ja eine Bärin und wir konnten leicht ihre Fährte aufnehmen. Alles ist bereit, wir steigen in die Vans, bald erfahren wir, dass die Spur nicht mehr aufzufinden ist. Scheinbar ist die Bärin zurück in die Geburtshöhle gegangen. Ganz in der Nähe haben sie eine bewohnte Höhle gefunden. Die Vans stoppen respektvoll im grossen Abstand zur Höhle und wir stellen alle unsere Kameras auf und warten. Nach drei Stunden: nichts. Es ist Mittagszeit und die Stative sind verwaist. Zunehmend macht sich Unaufmerksamkeit breit, einige sitzen in ihren Vans, nur unsere Truppe war parat in der Nähe der Kamera. Und dann kurz nach 15 Uhr am Nachmittag wurde eine Bärennase gesichtet.. Klick Klick klick.. nach 30 Sekunden beschloss die Bärenmama: nein, heute keinen Ausgang für die Bärenkinder. Und wieder hat die Natur gewonnen, nach sechs Stunden warten, trotten wir ab. Mir wurde bewusst, jeder Moment ist kostbar, denn es heißt nicht, dass er wieder kehrt.
Das Warten wird belohnt
Der sechste und letzte Tag ist angebrochen, die Hoffnung noch einmal eine Bärenmutter zu beobachten ist da. Ein letztes Mal die Vans packen, sich in mehreren Schichten Kleidung einpacken, in Gedanken 100% bei der Sache sein, um nichts von der Ausrüstung zu vergessen, noch einmal den morgentlichen Ablauf genießen und dann geht es los, raus in die wunderbare weisse Welt der Bären. Wir fahren wieder zur Geburtshöhle, was keine gute Voraussetzung ist, denn wenn sich die Mutter bedroht fühlt, bleibt sie in der Höhle. Doch das Glück ist auf unserer Seite, ganz in der Nähe entdecken sie eine andere Bärin mit zwei Babies. Als wir mit den Vans eintreffen, ist die Bärin noch in Bewegung. Wir beobachten Sie aus den Autos heraus bis sie zu Ruhe kommt und sich wohlfühlt. Nach einiger Zeit ist es soweit, wir haben eine neue Chance wunderschöne Bilder zu machen. Und da es der letzte Tag ist, gilt: „Füllt die Speicherkarten!“ Nun sind wir schon vertraut im Umgang mit der Motivplatzierung, fotografiere ich von oben oder von unten, was macht die Horizontlinie, wo sind störende Hintergründe wie Bäume, manchmal reicht schon einige Meter rechts oder links zu stehen. Daisy hat die Abende genutzt und uns geschult. Wir konnten mehrere Themen zusammen besprechen, Fragen stellen, Bilder besprechen und viel dazu lernen. Vor Ort können wir jederzeit Fragen stellen, Daisy gibt uns einen tiefen Einblick in das Leben eines Wildlife- Fotografen. Mit der ein oder anderen witzigen Geschichte von ihr wurden auch Wartezeiten wunderbar überbrückt. Und nun ist der letzten Tag und wir beobachten eine Bärin mit ihren Kleinen. Eins davon ist sehr aktiv, hat ständig etwas zu tun, ganz zur Freude der Fotografen. Mal ärgert es sein Geschwisterchen, mal klettert es auf Mama rum oder hängt sich einfach dran. In diesem Momenten rattern die Kameras nur noch im Hochgeschwindigkeitsmodus.
Dankbar
Hoffentlich ist ein gutes und scharfes Bild dabei, das sind meine Gedanken. Nach drei Stunden stelle ich fest, dass meine Kamera nicht mehr richtig arbeitet. Scheinbar ist es zu kalt und der Verschluss arbeitet nicht schnell genug. Das sind technische Probleme die auftreten können, man kann nichts dagegen tun. Auch meine andere Kamera scheint Probleme mit der Kälte zu haben. Gerade in dem Moment wo die schönsten Aktivitäten vor sich gehen, kann ich nur hoffen, dass ein paar Bilder geworden sind. Trotzdem bin ich sehr glücklich, dass erleben zu dürfen. Ich bin dankbar für die Leute die das ermöglicht haben. Nach weiteren vier Stunden mit der Bärenfamilie, schnuppert sie noch ein paarmal in unsere Richtung, sagt uns auf ihre Weise byebye und dreht dann ab und verschwindet in den Weiten der arktisch kanadischen Tundra. Ich wünsche ihr in Gedanken viel Glück und Erfolg mit ihrem Nachwuchs.
Fazit:
Die Reise nach Churchill ist eine sehr spezielle und einmalige Erfahrung. Die extremen Wetterverhältnisse, die einfache Unterkunft in der Lodge und die Gewissheit, dass hier die Natur die Regeln macht, fordern die physische und psychische Seite heraus. Es braucht viel Geduld, Verständnis, Aufmerksamkeit, Rücksicht und Verantwortung zuallererst mit sich selbst, auf andere Gäste und das Team der Lodge. Im Vordergrund steht die Liebe und Faszination zur Natur, der Respekt gegenüber der Tierwelt, einer gehörigen Portion Glück und positiver Energie. Wer hier einen Spaziergang erwartet, wird enttäuscht werden. Temperaturen von weit unter Null Grad stellen Mensch und Technik vor eine starke Herausforderung. Nur wenn die Natur gnädig ist und es zulässt, bekommt man einen tiefen Einblick in die ersten Tage der Eisbärenbabies in ihrer natürlichen Umgebung, der arktischen Tundra. Für mich war das eines der schönsten und intensivsten Erlebnisse in meinem Leben.
Die Organisation mit Amazing Views war perfekt und sehr gut vorbereitet. Jederzeit kann man sich bei Fragen an das Team von Amazing Views wenden. Vielen Dank dafür.
Die Begleitung durch die National Geographic Fotografin Daisy Gilardini ist perfekt. Sie hat jahrelange Erfahrung in den Polregionen und weiss worauf es ankommt. Stets ist sie zur Stelle und bei technischen oder zwischenmenschlichen Fragen eine sichere Ansprechpartnerin. Dies war meine zweiter Reise mit Daisy und ich bin froh um ihren Input und ihre spannenden Geschichten aus ihrem Wildlife- Fotografenleben. Vielen Dank.
Mein Foto-Equiptment für diese Reise
- Fotorucksack Lowepro 350 AW
- Canon EOS 5D Mark IV
- Canon EOS 7D Mark II
- Canon 500mm f4
- Canon 70 – 200 mm f2.8
- Canon 16 – 35 mm f 2.8
- Canon 24 – 70mm f2.8
- Stativ Manfrotto
- Youngnuo Fernauslöser
- div. Akkus und Speicherkarten
- 2 externe Festplatten und Laptop